Spoiler für Top Secret:
Im Quartier des obersten Kapitäns hat sich wenig geändert. Für Sperling Junior ist die Einrichtung vertraut, er kann sich noch gut daran erinnern, wie er als Jungvogel mit den Waffen seines Großvaters spielen durfte. Seine Mutter war nie davon angetan. Vielleicht lag es daran, dass sein erster Kontakt mit Schusswaffen fast zu einem Hörsturz geführt hätte oder er beinahe eine Kralle verloren hätte, als er klammheimlich eine viel zu schwere Axt von der Wand nehmen wollte.
Soeben ging ein Funkspruch aus einem weit entfernten Sonnensystem ein: "Kommt unseren Forderungen nach, wenn Ihr keinen Krieg wollt", hieß die Botschaft. Sie wurde von den sogenannten Shadowreavern in die Galaxie gestreut. Da Sperling sie nicht kennt und sein Großvater nie etwas erwähnt hatte, macht er sich auf dem Weg in das Quartier von Rotbauch.
"Sperling!", empfängt ihn der Vize. "Komm, setz dich, trink etwas mit mir." Er schwingt seine Flügel über den halben Tisch, gießt ihm ein Glas Rum ein und stellt es auf der anderen Seite des Tisches ab.
"Eigentlich wollte ich nicht lange bleiben", erwidert Sperling, "ich habe nur eine kurze Frage."
Rotbauch zuckt mit den Schultern. "Dennoch kannst du dich setzen." Doch Sperling schüttelt den Kopf. "Gut," sagt Rotbauch, "was hast du?" und kippt sich den Rum in den Schnabel.
"Was weißt du über die Shadowreaver?"
Der Alkohol schießt über den Schreibtisch bis vor Sperlings Klauen, Rotbauchs Gefieder wird blass - kommen ihm sogar die Tränen?
"Verzeiht, oberster Kapitän! Ich hätte es Euch mitteilen sollen, aber ich durfte nicht! Und Euren Großvater wollte ich während seiner Krankheit damit nicht belasten!"
"Wa- wie, Moment, halt. Beruhige dich, Rotbauch. Was ist los?"
"Ich sollte mich um die Funksprüche der Reaver kümmern, aber ich habe versagt! Ich muss die Frequenz falsch berechnet haben. Und dazu habe ich vergessen, die Forderungen zu begleichen! Oh wenn Jack aufwacht und das erfährt, schmeißt er meinen Kadaver zum Arbeiten in die Mine... Ich werde weder zu Leb- noch zu Todeszeiten je wieder glü-"
"Jetzt hör verdammt noch mal auf rumzuflennen, Rotbauch!", fährt Sperling ihn an. Rotbauch schaut entsetzt drein. Er holt kurz Luft, seufzt und setzt sich auf den feuchten Stuhl vor Rotbauchs Schreibtisch. Er gießt sich und Rotbauch neuen Rum ein. "Trink. Atme kurz durch und erzähl mir, was du weißt." Rotbauch tut wie ihm geheißen. Erst trinkt er einen Schluck, dann öffnet er ein Fach seines Schreibtischs und holt ältere Tonaufnahmen heraus.
"Vor ungefähr 13 Jahren durchquerte eine große Flotte unsere Systeme, schätzungsweise mit der Stärke von 80 Zerstörern und manche Raumschiffe waren sechsmal so groß. Dein Großvater hat sie daraufhin kontaktiert." Er nimmt eine Tonaufnahme und spielt sie ab. Die Stimme des ersten obersten Kapitäns ist zu hören.
"Hier spricht Captain Sperling, Ihr befindet Euch im Territorium der Jäger von Cygoli. Was sucht Ihr hier?"
Eine weibliche und zugleich einschüchternde Stimme ertönt. "Ihr nennt euch Captain und habt eine so mikrige Flotte? Jämmerliche Vögel. Lasst unsere Flotte passieren, wenn Ihr überleben wollt."
"Verzeihung, denkt Ihr, wir wären schwach?", schnaubt Sperling.
"Wir haben genug Daten über Euch. Ja, Ihr seid schwach. Ihr könnt nicht mal mit dem Bruchteil unserer Flotte, die gerade in Eurem Gebiet ist, mithalten."
Eine kurze Pause. Man hört wie Sperling ein paar Tasten drückt. Dann: "Ihr dürft passieren."
"Eine kluge Entscheidung, 'Captain.'" Die Kommunikation endet an der Stelle.
Rotbauch bereitet die nächste Aufnahme vor. "Diese habe ich während Sperlings Auszeit erhalten."
Die gleiche weibliche Stimme wie zuvor ertönt. "An alle Völker in der Galaxie: Wenn Ihr keinen Krieg mit uns wollt, dann sendet uns Tribut. Wie viel, ist Euch überlassen, aber wir entscheiden darüber, ob es genug ist."
"Warum habe ich davon nichts erfahren?", fragt Sperling. Innerlich ist er ... verunsichert. Er schwankt zwischen Wut, Angst und Faszination. Wut auf seinen Großvater und Rotbauch, die ihm diese Informationen vor ihm verheimlicht haben. Angst vor den Shadowreavern, doch zugleich ist er von ihrer Stärke fasziniert. Kann man mit denen verhandeln? Könnte man sie auf wen - oder etwas - ansetzen?
Rotbauch atmet durch. Er spricht so nüchtern wie noch nie. "Sperling - dein Großvater - hielt es für angebracht, nur mich einzuweihen und niemanden sonst. Die Reaver könnten eine ernstzunehmende Bedrohung darstellen, von der er niemandem sonst etwas erzählen wollte, um Panik zu vermeiden. Sperling hat die Daten über die Flotte gesehen und er hat keinen Grund an den Worten der Sprecherin zu zweifeln. Er hat Daten über andere Reiche erhalten, wie sie eine Schneise der Verwüstung durch das Gebiet weit entfernter Xenos gezogen haben. Die Flotte war unaufhaltbar. Aufgrund dessen hat dein Großvater die Flotte walten lassen."
"Was ist mit den Mannschaften der Raumstationen? Denen wird es schwerfallen, so eine Streitmacht nicht zu sehen."
"Das stimmt. Die Crews wurden komplett ausgetauscht. Jene, die von der Flotte wussten oder hätten erfahren können, befinden sich jetzt auf der Insel des Glücks im Ruhestand und haben keinen Kontakt zur Außenwelt. Das Risiko, dass es sich herumspricht, war viel zu groß. Darum wurde auch der Kapitänstisch nicht informiert."
Sperling schnaubt. "Wie schaut jetzt dein Plan aus? Wir müssen die bezahlen, sonst wüten die durch unsere Grenzen. Irgendeine Idee?"
"Eine einzige. Wir nehmen es vom Budget für das Flaggschiff."
"Mal abgesehen davon, dass mir das gar nicht gefällt - Was machen wir dann nach der Fertigstellung des Schiffs?"
Rotbauch schaut Sperling in die Augen und fängt an leicht zu grinsen. "Was habt Ihr Euch denn für die nächsten Jahre vorgenommen, Captain?" Er lehnt sich zurück. "Wolltest du nicht den Kapitänstisch schmälern?"
Sperlings Miene gefriert. Woher weiß er -
"Woher ich das weiß? Als du das erste Mal richtig betrunken warst, hast du es großkotzig am Tisch erzählt. Nicht alle Kapitäne haben dich in dem Moment ernstgenommen, aber ich habe genug Zeit mit deinem Großvater verbracht, um zu wissen: Ihr Sperlinge haltet an euren Zielen fest. Und deine Reaktion gerade eben hat es mir noch mal bestätigt."
Er hatte Recht. Schon zu Beginn seiner "Karriere" als Hilfsküken des Kapitänstischs empfand er selbigen als zu umfangreich. Zu viele Leitvögel erschweren das Navigieren.
"Ich frage noch mal. Wolltest du nicht den Tisch schmälern? Was ist die Schlussfolgerung daraus?"
"Wenn weniger am Tisch sind, können weniger davon erfahren", antwortet Sperling.
"Das ist zur Hälfte richtig. Die Aufgabenbereiche müssen neu strukturiert werden, die Nachfolge der Kapitäne muss gesichert sein ... Du verstehst?"
Und er verstand sehr wohl. Sperling beschließt noch eine Weile zu bleiben, noch etwas mit Rotbauch zu trinken, die Zahlungen an die Reaver zu klären (Der Vize entschuldigte sich noch hunderte Male und schien schon damit zu rechnen, dass Sperling ihn in die Mine schickt und war sichtlich erleichtert darüber, dass er versprach darüber hinwegzusehen) und dann geht der oberste Kapitän zurück in sein Quartier.
Er sitzt seit einigen Stunden an seinem Schreibtisch und lässt die Gedanken kreiseln. Es stört ihn nicht, dass sein Großvater den Kapitänstisch belogen hat. Wenn jemand den Kodex am häufigsten gebrochen hat, dann wohl er. Und sollte es jemand herausgefunden haben, muss er sich wohl entschieden haben den Schnabel zu halten, um so einem natürlichen Tod begegnen zu dürfen. Was ihn stört, ist die Tatsache, dass er nicht eingeweiht wurde. Es hätte schwerwiegende Konsequenzen haben können, wäre er damit nicht zu Rotbauch gegangen.
Warum ist dazu nichts in den alten Aufzeichnungen zu finden? Sperling überlegt. Wenn ich mein Großvater wäre, wo würde ich meine Geheimnisse aufbewahren? Er durchsucht die Datenbanken nach versteckten Ordnern und findet dort natürlich nichts. Die Ordner, die versteckt waren, hätte er lieber unentdeckt gelassen. So unvorsichtig wäre Sperling Senior auch nicht gewesen, nein. Also muss er in diesem Quartier ein Versteck haben. Junior überprüft die Souvenirs und Geschenke, tastet den Schreibtisch nach geheimen Fächern oder Schaltern ab, klopft die Wände nach Hohlräumen ab - nichts. Er wiederholt das Ganze. Zwei Stunden gehen ins Land und er findet keinen einzigen Hinweis. Erneut setzt er sich an den Tisch, überlegt und schaut sich im Raum um. Dann fallen ihm die Waffen auf, die er noch nicht angerührt hat. Er fängt mit der Handfeuerwaffe ein, mit der er immer schießen durfte, hebt diese aus der Verankerung, welche tatsächlich einen Mechanismus auslöst. Die Halterung rückt ein kleines Stück nach oben und rundherum löst sich ein Stück der Wand, etwa ein halber Quadratmeter, den Sperling entfernen und auf dem Boden ablegen kann. Dahinter befinden sich der Kommunikator seines Großvaters sowie ein kompatibler Datenträger.
Dass er gerade dort sein Versteck hat... Er zieht beide Geräte aus dem Fach und startet den Kommunikator. Er ist getrennt von der EMULE - der Elektronischen Medialen Unterhaltungs- und LagerungsEinheit. Die Verbindung lässt Sperling vorerst gekappt, um ungewollte Datenübertragungen zu vermeiden. Wahrscheinlich ist er deshalb auch offline in das Versteck gelegt worden. So schließt er auch ohne Bedenken den Datenträger am Kommunikator seines Großvaters an und -
"Sperling!", schallt es aus dem Kommunikator. Der Junior erschrickt und lässt das Gerät fallen, kann es aber noch vor einer unsanften Landung retten.
"Großvater?!" Sperling merkt zu spät, dass das nur eine Aufzeichnung sein kann und schlägt sich den Flügel gegen die Stirn. Zum Glück ist er gerade allein.
"Wenn du diese Nachricht von mir hörst, bin ich vermutlich bereits eingefroren. Und ich vermute, du hast nicht ohne Grund dieses Geheimfach gefunden. Außer, du wolltest mit der Lieblingswaffe wieder spielen, tz tz tz. Aber sei es drum, ich möchte dir erst einmal ein paar Worte dalassen, bevor du meine Geheimakten durchwühlen darfst. Ja, du darfst natürlich, schließlich bin ich gerade klinisch tot und du bist mein Nachfolger.
Es tut mir leid, dass ich dir nicht alles offenbart habe. Für manche Dinge gab es keinen passenden Zeitpunkt, anderes habe ich immer wieder verschoben, weil es mir nicht wichtig erschien. Nun ist es aber dir überlassen, was du mit den Informationen anstellst.
So, das war's auch schon. Hoffentlich können wir uns eines Tages wiedersehen."
Wieder schlägt Sperling seinen Flügel gegen die Stirn. Er hat auf etwas mehr Inhalt gehofft als das, aber dann müssen die Dateien wohl für ihn sprechen. Er fängt an, die Ordner zu überfliegen. Wie zu erwarten sind die Aufzeichnungen über die Shadowreaver vorhanden. Die Kommunikation mit ihnen, die Details über die Flotte und die Route, die die südlichen Systeme kreuzte - von der Grenze der Zurückgelassenen, durch das Fedeema-System in das Gebiet der Hüter, dann verschwand sie vom Radar.
Dann stößt er auf einen Ordner "Beute?", den er öffnet. Darin befindet sich ein eigenartiger Funkspruch. Notiz hierzu: "Ging an die gesamte Galaxie." In dem Funkspruch werden wir gelockt, es gebe reiche Beute weit östlich unseres Gebiets. Seniors weiteren Notizen lauten: "Signal wurde von anderen Xenos anders gedeutet, aber immer positiv - eine Falle?" Wahrscheinlich hat er es deshalb ad acta gelegt. Für Junior ist es aber ein Anlass zur Untersuchung.
Ein weiterer Ordner hat die Beschriftung "Inoffizielle Xeno-Gespräche", in dem sich viele Ton- und Bildaufnahmen befinden. Aus Neugier startet er das jüngste Video aus dem Ordner "Bothra" mit dem Titel "0098".
Man sieht einen Bothra, wie er auf einem Stuhl an der Wand sitzt. Die Kamera ist so ausgerichtet, dass man ihn komplett sehen kann und die Beleuchtung ist ebenfalls ideal. Der Bothra ist gefesselt, hat viele Wunden im Gesicht, seine Kleidung ist blutig, er sieht für seinesgleichen sehr mager aus. Von der Seite nähert sich jemand dem Stuhl - Sperling Senior.
"Na, was hast du mir heute über Fuchur zu erzählen?", fragt Sperling ihn.
"Fuchur ist ein mächtiges Lebewesen, das uns beschützt", beginnt der Bothra. Die Stimme ist monoton. "Nur die Ministerin Lüc kann zu ihm sprechen."
Sperling schwingt einen Knüppel durch das Bild in die Magengrube des Sklaven. Er zuckt zusammen, hustet und bleibt so hängen.
"Das hast du mir gestern schon erzählt!", schreit Sperling. "Und vorgestern und das Mal davor und davor! Und auch, dass er eure pazifistische Haltung in der Praxis für nicht umsetzbar hält, bla bla bla. Das reicht mir aber nicht!"
"Ich habe Euch bereits alles gesagt, was ich weiß!", hustet der Gefangene. "Noch bevor Ihr mich das erste Mal geschlagen habt, also warum tut Ihr das?"
Sperling lacht. "Genau das stört mich an euch Bothra. Euch muss man nicht mal dazu zwingen. Ihr gebt einem einfach, was man will." Er schwingt erneut den Knüppel, man hört etwas knacken. "Das macht mir keinen Spaß! Deshalb werde ich dich so lange foltern, bis es mir zu langweilig wird oder du doch noch einen Geistesblitz hast!" Der nächste Hieb geht seitlich gegen das rechte Bein, dann ein weiterer gegen den linken Arm. Der Bothra krümmt sich immer weiter und schluchzt. Wutentbrannt wirft Sperling den Knüppel weg, man hört ihn gegen die Wand donnern und dann zu Boden fallen. Sperling packt den Xeno. "Ist es sein Körper oder sein Schild, was ist schwä-" Der Kapitän stockt. Er wirft den Xeno samt Stuhl zu Boden, man sieht nur noch die Beine. Der Kapitän verschwindet kurz aus dem Bild, man hört ihn ein paar Tasten drücken, dann lacht er wie ein Wahnsinniger. "Das ist es!", ruft er. Er hält seinen Kopf in die Kamera. "Er. Hat. Keinen. Schild!" Er zieht ein Messer und geht auf den Gefangenen zu. Dieser ruft panisch: "Nein nein nein, bitte, ich ha-", dann hört man nur noch ein Gluckern. Das Video endet.
Junior lässt das Video kurz auf sich wirken. Wieso hat er noch nicht daran gedacht, die Xenos zu foltern? Wichtiger ist aber, dass die Flotte für den Kampf gegen den Drachen umgebaut werden muss.
Was hat er denn aus den anderen Xenos so herausbekommen...
Soeben ging ein Funkspruch aus einem weit entfernten Sonnensystem ein: "Kommt unseren Forderungen nach, wenn Ihr keinen Krieg wollt", hieß die Botschaft. Sie wurde von den sogenannten Shadowreavern in die Galaxie gestreut. Da Sperling sie nicht kennt und sein Großvater nie etwas erwähnt hatte, macht er sich auf dem Weg in das Quartier von Rotbauch.
"Sperling!", empfängt ihn der Vize. "Komm, setz dich, trink etwas mit mir." Er schwingt seine Flügel über den halben Tisch, gießt ihm ein Glas Rum ein und stellt es auf der anderen Seite des Tisches ab.
"Eigentlich wollte ich nicht lange bleiben", erwidert Sperling, "ich habe nur eine kurze Frage."
Rotbauch zuckt mit den Schultern. "Dennoch kannst du dich setzen." Doch Sperling schüttelt den Kopf. "Gut," sagt Rotbauch, "was hast du?" und kippt sich den Rum in den Schnabel.
"Was weißt du über die Shadowreaver?"
Der Alkohol schießt über den Schreibtisch bis vor Sperlings Klauen, Rotbauchs Gefieder wird blass - kommen ihm sogar die Tränen?
"Verzeiht, oberster Kapitän! Ich hätte es Euch mitteilen sollen, aber ich durfte nicht! Und Euren Großvater wollte ich während seiner Krankheit damit nicht belasten!"
"Wa- wie, Moment, halt. Beruhige dich, Rotbauch. Was ist los?"
"Ich sollte mich um die Funksprüche der Reaver kümmern, aber ich habe versagt! Ich muss die Frequenz falsch berechnet haben. Und dazu habe ich vergessen, die Forderungen zu begleichen! Oh wenn Jack aufwacht und das erfährt, schmeißt er meinen Kadaver zum Arbeiten in die Mine... Ich werde weder zu Leb- noch zu Todeszeiten je wieder glü-"
"Jetzt hör verdammt noch mal auf rumzuflennen, Rotbauch!", fährt Sperling ihn an. Rotbauch schaut entsetzt drein. Er holt kurz Luft, seufzt und setzt sich auf den feuchten Stuhl vor Rotbauchs Schreibtisch. Er gießt sich und Rotbauch neuen Rum ein. "Trink. Atme kurz durch und erzähl mir, was du weißt." Rotbauch tut wie ihm geheißen. Erst trinkt er einen Schluck, dann öffnet er ein Fach seines Schreibtischs und holt ältere Tonaufnahmen heraus.
"Vor ungefähr 13 Jahren durchquerte eine große Flotte unsere Systeme, schätzungsweise mit der Stärke von 80 Zerstörern und manche Raumschiffe waren sechsmal so groß. Dein Großvater hat sie daraufhin kontaktiert." Er nimmt eine Tonaufnahme und spielt sie ab. Die Stimme des ersten obersten Kapitäns ist zu hören.
"Hier spricht Captain Sperling, Ihr befindet Euch im Territorium der Jäger von Cygoli. Was sucht Ihr hier?"
Eine weibliche und zugleich einschüchternde Stimme ertönt. "Ihr nennt euch Captain und habt eine so mikrige Flotte? Jämmerliche Vögel. Lasst unsere Flotte passieren, wenn Ihr überleben wollt."
"Verzeihung, denkt Ihr, wir wären schwach?", schnaubt Sperling.
"Wir haben genug Daten über Euch. Ja, Ihr seid schwach. Ihr könnt nicht mal mit dem Bruchteil unserer Flotte, die gerade in Eurem Gebiet ist, mithalten."
Eine kurze Pause. Man hört wie Sperling ein paar Tasten drückt. Dann: "Ihr dürft passieren."
"Eine kluge Entscheidung, 'Captain.'" Die Kommunikation endet an der Stelle.
Rotbauch bereitet die nächste Aufnahme vor. "Diese habe ich während Sperlings Auszeit erhalten."
Die gleiche weibliche Stimme wie zuvor ertönt. "An alle Völker in der Galaxie: Wenn Ihr keinen Krieg mit uns wollt, dann sendet uns Tribut. Wie viel, ist Euch überlassen, aber wir entscheiden darüber, ob es genug ist."
"Warum habe ich davon nichts erfahren?", fragt Sperling. Innerlich ist er ... verunsichert. Er schwankt zwischen Wut, Angst und Faszination. Wut auf seinen Großvater und Rotbauch, die ihm diese Informationen vor ihm verheimlicht haben. Angst vor den Shadowreavern, doch zugleich ist er von ihrer Stärke fasziniert. Kann man mit denen verhandeln? Könnte man sie auf wen - oder etwas - ansetzen?
Rotbauch atmet durch. Er spricht so nüchtern wie noch nie. "Sperling - dein Großvater - hielt es für angebracht, nur mich einzuweihen und niemanden sonst. Die Reaver könnten eine ernstzunehmende Bedrohung darstellen, von der er niemandem sonst etwas erzählen wollte, um Panik zu vermeiden. Sperling hat die Daten über die Flotte gesehen und er hat keinen Grund an den Worten der Sprecherin zu zweifeln. Er hat Daten über andere Reiche erhalten, wie sie eine Schneise der Verwüstung durch das Gebiet weit entfernter Xenos gezogen haben. Die Flotte war unaufhaltbar. Aufgrund dessen hat dein Großvater die Flotte walten lassen."
"Was ist mit den Mannschaften der Raumstationen? Denen wird es schwerfallen, so eine Streitmacht nicht zu sehen."
"Das stimmt. Die Crews wurden komplett ausgetauscht. Jene, die von der Flotte wussten oder hätten erfahren können, befinden sich jetzt auf der Insel des Glücks im Ruhestand und haben keinen Kontakt zur Außenwelt. Das Risiko, dass es sich herumspricht, war viel zu groß. Darum wurde auch der Kapitänstisch nicht informiert."
Sperling schnaubt. "Wie schaut jetzt dein Plan aus? Wir müssen die bezahlen, sonst wüten die durch unsere Grenzen. Irgendeine Idee?"
"Eine einzige. Wir nehmen es vom Budget für das Flaggschiff."
"Mal abgesehen davon, dass mir das gar nicht gefällt - Was machen wir dann nach der Fertigstellung des Schiffs?"
Rotbauch schaut Sperling in die Augen und fängt an leicht zu grinsen. "Was habt Ihr Euch denn für die nächsten Jahre vorgenommen, Captain?" Er lehnt sich zurück. "Wolltest du nicht den Kapitänstisch schmälern?"
Sperlings Miene gefriert. Woher weiß er -
"Woher ich das weiß? Als du das erste Mal richtig betrunken warst, hast du es großkotzig am Tisch erzählt. Nicht alle Kapitäne haben dich in dem Moment ernstgenommen, aber ich habe genug Zeit mit deinem Großvater verbracht, um zu wissen: Ihr Sperlinge haltet an euren Zielen fest. Und deine Reaktion gerade eben hat es mir noch mal bestätigt."
Er hatte Recht. Schon zu Beginn seiner "Karriere" als Hilfsküken des Kapitänstischs empfand er selbigen als zu umfangreich. Zu viele Leitvögel erschweren das Navigieren.
"Ich frage noch mal. Wolltest du nicht den Tisch schmälern? Was ist die Schlussfolgerung daraus?"
"Wenn weniger am Tisch sind, können weniger davon erfahren", antwortet Sperling.
"Das ist zur Hälfte richtig. Die Aufgabenbereiche müssen neu strukturiert werden, die Nachfolge der Kapitäne muss gesichert sein ... Du verstehst?"
Und er verstand sehr wohl. Sperling beschließt noch eine Weile zu bleiben, noch etwas mit Rotbauch zu trinken, die Zahlungen an die Reaver zu klären (Der Vize entschuldigte sich noch hunderte Male und schien schon damit zu rechnen, dass Sperling ihn in die Mine schickt und war sichtlich erleichtert darüber, dass er versprach darüber hinwegzusehen) und dann geht der oberste Kapitän zurück in sein Quartier.
Er sitzt seit einigen Stunden an seinem Schreibtisch und lässt die Gedanken kreiseln. Es stört ihn nicht, dass sein Großvater den Kapitänstisch belogen hat. Wenn jemand den Kodex am häufigsten gebrochen hat, dann wohl er. Und sollte es jemand herausgefunden haben, muss er sich wohl entschieden haben den Schnabel zu halten, um so einem natürlichen Tod begegnen zu dürfen. Was ihn stört, ist die Tatsache, dass er nicht eingeweiht wurde. Es hätte schwerwiegende Konsequenzen haben können, wäre er damit nicht zu Rotbauch gegangen.
Warum ist dazu nichts in den alten Aufzeichnungen zu finden? Sperling überlegt. Wenn ich mein Großvater wäre, wo würde ich meine Geheimnisse aufbewahren? Er durchsucht die Datenbanken nach versteckten Ordnern und findet dort natürlich nichts. Die Ordner, die versteckt waren, hätte er lieber unentdeckt gelassen. So unvorsichtig wäre Sperling Senior auch nicht gewesen, nein. Also muss er in diesem Quartier ein Versteck haben. Junior überprüft die Souvenirs und Geschenke, tastet den Schreibtisch nach geheimen Fächern oder Schaltern ab, klopft die Wände nach Hohlräumen ab - nichts. Er wiederholt das Ganze. Zwei Stunden gehen ins Land und er findet keinen einzigen Hinweis. Erneut setzt er sich an den Tisch, überlegt und schaut sich im Raum um. Dann fallen ihm die Waffen auf, die er noch nicht angerührt hat. Er fängt mit der Handfeuerwaffe ein, mit der er immer schießen durfte, hebt diese aus der Verankerung, welche tatsächlich einen Mechanismus auslöst. Die Halterung rückt ein kleines Stück nach oben und rundherum löst sich ein Stück der Wand, etwa ein halber Quadratmeter, den Sperling entfernen und auf dem Boden ablegen kann. Dahinter befinden sich der Kommunikator seines Großvaters sowie ein kompatibler Datenträger.
Dass er gerade dort sein Versteck hat... Er zieht beide Geräte aus dem Fach und startet den Kommunikator. Er ist getrennt von der EMULE - der Elektronischen Medialen Unterhaltungs- und LagerungsEinheit. Die Verbindung lässt Sperling vorerst gekappt, um ungewollte Datenübertragungen zu vermeiden. Wahrscheinlich ist er deshalb auch offline in das Versteck gelegt worden. So schließt er auch ohne Bedenken den Datenträger am Kommunikator seines Großvaters an und -
"Sperling!", schallt es aus dem Kommunikator. Der Junior erschrickt und lässt das Gerät fallen, kann es aber noch vor einer unsanften Landung retten.
"Großvater?!" Sperling merkt zu spät, dass das nur eine Aufzeichnung sein kann und schlägt sich den Flügel gegen die Stirn. Zum Glück ist er gerade allein.
"Wenn du diese Nachricht von mir hörst, bin ich vermutlich bereits eingefroren. Und ich vermute, du hast nicht ohne Grund dieses Geheimfach gefunden. Außer, du wolltest mit der Lieblingswaffe wieder spielen, tz tz tz. Aber sei es drum, ich möchte dir erst einmal ein paar Worte dalassen, bevor du meine Geheimakten durchwühlen darfst. Ja, du darfst natürlich, schließlich bin ich gerade klinisch tot und du bist mein Nachfolger.
Es tut mir leid, dass ich dir nicht alles offenbart habe. Für manche Dinge gab es keinen passenden Zeitpunkt, anderes habe ich immer wieder verschoben, weil es mir nicht wichtig erschien. Nun ist es aber dir überlassen, was du mit den Informationen anstellst.
So, das war's auch schon. Hoffentlich können wir uns eines Tages wiedersehen."
Wieder schlägt Sperling seinen Flügel gegen die Stirn. Er hat auf etwas mehr Inhalt gehofft als das, aber dann müssen die Dateien wohl für ihn sprechen. Er fängt an, die Ordner zu überfliegen. Wie zu erwarten sind die Aufzeichnungen über die Shadowreaver vorhanden. Die Kommunikation mit ihnen, die Details über die Flotte und die Route, die die südlichen Systeme kreuzte - von der Grenze der Zurückgelassenen, durch das Fedeema-System in das Gebiet der Hüter, dann verschwand sie vom Radar.
Dann stößt er auf einen Ordner "Beute?", den er öffnet. Darin befindet sich ein eigenartiger Funkspruch. Notiz hierzu: "Ging an die gesamte Galaxie." In dem Funkspruch werden wir gelockt, es gebe reiche Beute weit östlich unseres Gebiets. Seniors weiteren Notizen lauten: "Signal wurde von anderen Xenos anders gedeutet, aber immer positiv - eine Falle?" Wahrscheinlich hat er es deshalb ad acta gelegt. Für Junior ist es aber ein Anlass zur Untersuchung.
Ein weiterer Ordner hat die Beschriftung "Inoffizielle Xeno-Gespräche", in dem sich viele Ton- und Bildaufnahmen befinden. Aus Neugier startet er das jüngste Video aus dem Ordner "Bothra" mit dem Titel "0098".
Man sieht einen Bothra, wie er auf einem Stuhl an der Wand sitzt. Die Kamera ist so ausgerichtet, dass man ihn komplett sehen kann und die Beleuchtung ist ebenfalls ideal. Der Bothra ist gefesselt, hat viele Wunden im Gesicht, seine Kleidung ist blutig, er sieht für seinesgleichen sehr mager aus. Von der Seite nähert sich jemand dem Stuhl - Sperling Senior.
"Na, was hast du mir heute über Fuchur zu erzählen?", fragt Sperling ihn.
"Fuchur ist ein mächtiges Lebewesen, das uns beschützt", beginnt der Bothra. Die Stimme ist monoton. "Nur die Ministerin Lüc kann zu ihm sprechen."
Sperling schwingt einen Knüppel durch das Bild in die Magengrube des Sklaven. Er zuckt zusammen, hustet und bleibt so hängen.
"Das hast du mir gestern schon erzählt!", schreit Sperling. "Und vorgestern und das Mal davor und davor! Und auch, dass er eure pazifistische Haltung in der Praxis für nicht umsetzbar hält, bla bla bla. Das reicht mir aber nicht!"
"Ich habe Euch bereits alles gesagt, was ich weiß!", hustet der Gefangene. "Noch bevor Ihr mich das erste Mal geschlagen habt, also warum tut Ihr das?"
Sperling lacht. "Genau das stört mich an euch Bothra. Euch muss man nicht mal dazu zwingen. Ihr gebt einem einfach, was man will." Er schwingt erneut den Knüppel, man hört etwas knacken. "Das macht mir keinen Spaß! Deshalb werde ich dich so lange foltern, bis es mir zu langweilig wird oder du doch noch einen Geistesblitz hast!" Der nächste Hieb geht seitlich gegen das rechte Bein, dann ein weiterer gegen den linken Arm. Der Bothra krümmt sich immer weiter und schluchzt. Wutentbrannt wirft Sperling den Knüppel weg, man hört ihn gegen die Wand donnern und dann zu Boden fallen. Sperling packt den Xeno. "Ist es sein Körper oder sein Schild, was ist schwä-" Der Kapitän stockt. Er wirft den Xeno samt Stuhl zu Boden, man sieht nur noch die Beine. Der Kapitän verschwindet kurz aus dem Bild, man hört ihn ein paar Tasten drücken, dann lacht er wie ein Wahnsinniger. "Das ist es!", ruft er. Er hält seinen Kopf in die Kamera. "Er. Hat. Keinen. Schild!" Er zieht ein Messer und geht auf den Gefangenen zu. Dieser ruft panisch: "Nein nein nein, bitte, ich ha-", dann hört man nur noch ein Gluckern. Das Video endet.
Junior lässt das Video kurz auf sich wirken. Wieso hat er noch nicht daran gedacht, die Xenos zu foltern? Wichtiger ist aber, dass die Flotte für den Kampf gegen den Drachen umgebaut werden muss.
Was hat er denn aus den anderen Xenos so herausbekommen...